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Fabeln und Erzählungen

Couverture du livre « Fabeln und Erzählungen » de Christian Fürchtegott Gellert aux éditions Culturea
  • Date de parution :
  • Editeur : Culturea
  • EAN : 9791041903559
  • Série : (-)
  • Support : Papier
Résumé:

Die Nachtigall und die Lerche Die Nachtigall sang einst mit vieler Kunst; Ihr Lied erwarb der ganzen Gegend Gunst; Die Blätter in den Gipfeln schwiegen Und fühlten ein geheim Vergnügen. Der Vogel Chor vergaß der Ruh' Und horte Philomelen zu. Aurora selbst verzog am Horizonte, Weil sie die... Voir plus

Die Nachtigall und die Lerche Die Nachtigall sang einst mit vieler Kunst; Ihr Lied erwarb der ganzen Gegend Gunst; Die Blätter in den Gipfeln schwiegen Und fühlten ein geheim Vergnügen. Der Vogel Chor vergaß der Ruh' Und horte Philomelen zu. Aurora selbst verzog am Horizonte, Weil sie die Sängerin nicht g'nug bewundern konnte. Denn auch die Gotter rührt der Schall Der angenehmen Nachtigall; Und ihr, der Gottin, ihr zu Ehren Ließ Philomele sich noch zweimal schoner horen. Sie schweigt darauf. Die Lerche naht sich ihr Und spricht: »Du singst viel reizender als wir; Dir wird mit Recht der Vorzug zugesprochen; Doch eins gefällt uns nicht an dir, Du singst das ganze Jahr nicht mehr als wenig Wochen.« Doch Philomele lacht und spricht: »Dein bittrer Vorwurf kränkt mich nicht Und wird mir ewig Ehre bringen. Ich singe kurze Zeit. Warum? Um schon zu singen. Ich folg' im Singen der Natur; So lange sie gebeut, so lange sing' ich nur. Sobald sie nicht gebeut, so hor' ich auf zu singen; Denn die Natur läßt sich nicht zwingen.« O Dichter, denkt an Philomelen, Singt nicht, so lang ihr singen wollt. Natur und Geist, die euch beseelen, Sind euch nur wenig Jahre hold. Soll euer Witz die Welt entzücken, So singt, so lang ihr feurig seid, Und offnet euch mit Meisterstücken Den Eingang in die Ewigkeit. Singt geistreich der Natur zu Ehren; Und scheint euch die nicht mehr geneigt, So eilt, um rühmlich aufzuhoren, Eh' ihr zu spät mit Schande schweigt. Wer, sprecht ihr, will den Dichter zwingen? Er bindet sich an keine Zeit. So fahrt denn fort, noch alt zu singen, Und singt euch um die Ewigkeit.

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